Sprachgebrauch

Das Kleinkind im Alter von 1-3 Jahren (Teil 4)

Ab dem Alter von drei Jahren ist seine Vorstellungskraft so weit entwickelt, dass es Szenen spielt, sogenannte Rollen- oder Phantasiespiele. Die Inhalte dieser Spiele sind immer die alltäglichen Erfahrungen des Kindes. Sie stellen für Kinder auch eine Möglichkeit dar, mit einer Sache fertig zu werden oder unangenehme Situationen zu überwinden. An erster Stelle steht die Spielidee, welche auf der Handlungsebene nach Lust und Situation vielfältig ausdifferenziert werden kann. Sie planen kleine Spielereignisse, in denen sie voll und ganz die eigene Initiative ergreifen.

Es lernt nun zwei Fähigkeiten: bildhaftes Vorstellen und sprechen. Es kann sein Erleben und Tun zeitlich voneinander trennen. D.h. es plant willentlich und bewusst. Langsam erfährt es eine Wahrnehmung von Zeit. Diese bezieht sich auf das „Jetzt“ in der Gegenwart, auf Erlebtes in der Vergangenheit und Zukünftiges. Das Kind nennt z. B. nicht erst nachträglich seine Malereien oder Bauwerke, sondern es kündigt schon vorher an, was es malen oder bauen will.

Die Vorstellung einer zeitlich orientierten Wahrnehmung fordert das Kind im weiteren Entwicklungsverlauf auf eine neue Art und Weise heraus. Im sprachlichen Ausdruck zeigen sich dann auf einmal Ungeordnetheiten im Sprechzusammenhang. Während das Kind vorher Sätze schön „ordentlich“ sprach, purzelt auf einmal alles durcheinander. Eigentlich ist es eine Weiterentwicklung. Die Ungeordnetheiten kommen dadurch zustande, dass das Kind von vergangenen Ereignissen erzählen will. Ereignisse vom gestrigen Tag oder Wochen zurückliegend. Dabei muss es sich das Ereignis erst innerlich neu hervorholen und vorstellen. Es muss nach seinen inneren Vorstellungsbildern sprechen und diese auch zu einer kleinen Szene verknüpfen. Da das zeitliche Erleben ja nicht jetzt stattfindet, verliert es sozusagen leicht den roten Faden in seiner Erzählweise. Dieser Vorgang ist leicht störbar. Nicht aufgrund etwa mangelnder Fähigkeit sondern mangelnden Trainings dieser neuen Fertigkeit.

Im praktischen Tun beginnt das Kind jetzt Gegenstände als Werkzeug zu gebrauchen. Die Bewegungen der Hände beginnen sich mehr zu spezialisieren. Beide Hände werden gleichzeitig gebraucht, wobei die Händigkeit schon bestimmt ist. Je nach Form und Eigenschaft wird der Gegenstand in die Hände genommen, in die richtige Position gebracht, gehalten und bearbeitet. Die feinen Fertigkeiten der Finger, die sich geschickt auf die ablaufenden Bewegungen einstellen erfordern die visuelle Koordination und damit Aufmerksamkeit. Das Kind spürt „es liegt in meiner Hand“ wenn ich schraube, zeichne, schneide oder knete.

Zunehmend werden Erwachsene für das Kind Informant und zwar so, dass dieses Alter oft auch als Fragealter bezeichnet wird. Dabei geht es dem Kind um eine genaue Beschreibung seiner Umgebung und somit um eine erweiterte Orientierung. Nachdenken und Fragen sind ein Zeichen dafür, dass das Kind auch immer mehr innere, verborgene Ursachen herausfinden möchte. „Wie kommt der Regen aus den Wolken?“ ist eine legitime Frage für sein Weltwissen. Fragen nach dem Warum, also dem Ursprung der Dinge werden ergänzt durch Fragen nach dem Wie (man etwas macht).

Eine der bedeutungsvollsten Errungenschaften in dieser Entwicklungsphase ist das Wort „ich“. Das Ich wird im Gegensatz zu allen anderen Wörtern nicht über die direkte Nachahmung erworben. Es ist das einzige Wort, welches aus der Sicht des Sprechenden nur zu sich selbst passt. Um von sich selbst als „Ich“ zu sprechen, braucht das Kind Selbst-Bewusstsein und Freiheit für die eigenen Aktivitäten. „Ich verstehe und frage“ gibt ihm Mut sich als eigenständige und aktiv handelnde Person mit der Umwelt auseinanderzusetzen.
Interessanterweise zeigt das Kind dann jetzt auch die für die deutsche Sprache typische Verbzweitstellung, indem es das Wort „ich“ direkt mit dem Verb (Tätigkeitswort) verknüpft. „ich hole Wasser“, „ich male ein Haus“. Entsprechend der Komplexität seines Wissens und seiner Wahrnehmungen, entstehen jetzt auch mehr komplexere Satzstrukturen, z. B. „wenn ich fertig bin, dann will ich auch damit spielen“, die das Kind dann mit dem Alter von 4 Jahren immer weiter ausbaut.

Eltern können sich auf die Gesprächsbereitschaft ihres Kindes einlassen und hinhören. Ihren Eifer „richtige“ Sprache zu vermitteln, können sie in ihre Antworten legen. Sie sollten in einfachen, klaren Sätzen sprechen und langsamer als sie es sonst gewohnt sind. Lassen sie sich von der unbefangenen Freude und Leichtigkeit der Kinder anstecken und spielen sie gemeinsam mit der Sprache. Denken sie sich Verse und neue „komische“ Worte aus. Sprechen ist ein rhythmischer Vorgang, der durch übermäßige Kontrolle des Kindes von außen leicht gestört werden kann. Da sich das Kind gerne mitteilt, möchte es auch viel von Ihnen wissen. Lassen Sie es auch teilhaben an Ihren eigenen Gedanken und Beschäftigungen. Ein Gespräch wird dann gegenseitig, die Inhalte lebendiger, als wenn das Kind stets befragt oder belehrt wird.

Erlebt das Kind in der Kommunikation mit uns die Freude am Entdecken neuer Fähigkeiten, kann es sich in seiner Lernfähigkeit öffnen, sich selbst wahrnehmen und seine Umwelt lernend erfahren.

Mit ihrer Sprache teilen Kinder uns ihre Gedanken mit. Kinder sind dabei voll und ganz bei dem, was sie jetzt gerade im Moment erleben. Und dieses „Jetzt“ ins Gespräch hineinnehmen ohne sich hinaustragen zu lassen in das was noch kommen mag, was noch erledigt werden muss, wäre in der Tat die gelungenste Sprachförderung, die ich mir vorstellen kann.

Informationen dazu auch im Artikel „Schau mal. Dem Alltag mehr Aufmerksamkeit schenken“ unter dem Menüpunkt Sprachentwicklung.